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Der reiche Jüngling

Januar 26, 2020

Die Geschichte vom reichen jungen Mann (Matth. 19,16-26) fordert uns heraus.

Ein Mann fragt Jesus, was er, der alle Gebote halte, Gutes tun müsse, damit er ewiges Leben habe. Jesus sagt: „Wenn du vollkommen sein willst, verkauf alles und gib es den Armen. Und komm und folge mir nach.“

Ein allgemeiner Aufruf, sein Vermögen zu verschenken, kann damit nicht gemeint sein. Die Bibel berichtet zwar, dass in der Jerusalemer Urgemeinde alle Gemeindeglieder ihren persönlichen Besitz aufgaben, aber wir erfahren auch, dass die Gemeindeglieder und die Gemeinde so verarmten. Darum musste Paulus dann für diese Gemeinde und ihre Glieder sammeln (2. Kor 8; 9). Daraus hat man gelernt: Es ist nicht sinnvoll, dass alle ihren Besitz aufgeben – was jedoch nicht bedeutet, dass der Gedanke der finanziellen Solidarität aufgegeben wird. Im Gegenteil: Dass es zu einem Ausgleich zwischen Arm und Reich kommt, ist ein fundamentales biblisches Anliegen. z.B. 5. Mose 15,7-11; 2. Kor 8,13f

Dass Jesus den jungen Mann auffordert, seinen ganzen Besitz zu verteilen, ist ein Rat an diesen speziellen jungen Mann, den ich so nicht eins und zu eins für uns alle höre. Aber ich höre: Wahres Leben finden wir nicht im Anhäufen oder Bewahren von Besitz. Wenn wir wahres Leben finden wollen, müssen wir bereit sein, Sicherheiten loszulassen. Bei den einen liegt der Schlüssel dazu beim Geld; bei anderen sind es vielleicht Gewohnheiten oder ein Beziehungsnetz oder die gesellschaftliche Stellung oder die Heimat etc.

Wo wir einander nicht loslassen (auch z.B. in der Familie), wo wir Unscheinbaren oder Fremden in unserer Mitte nicht Raum geben, wo wir in Traditionen erstarren und niemand zu neuen Horizonten aufbricht, erstickt das Leben. Wo wir hingegen unser Geld so ausgeben, dass es faire Verhältnisse fördert, wo wir einander hinter die Fassaden blicken lassen, wo wir in ein neues Lied einstimmen, wo wir Vertrauen schenken, da leuchtet plötzlich etwas vom Reich Gottes auf. Da werden Friede und Gerechtigkeit erlebbar. Da fühlen sich Menschen ernstund angenommen. Da blüht Leben auf. Hingabe an Gott ist mehr als Gebote halten.

Hingabe an Gott bedeutet, Liebe zu wagen. Das ist immer mit Risiko verbunden. Aber wer es wagt, findet das Glück ewigen, wahren Lebens.

In herzlicher Verbundenheit

Urs Rickenbacher